
Wie Lebendigkeit und Kreativität in eine Bildung für nachhaltige Entwicklung einfließen und welche Lernerfahrungen sie beflügeln können, beschäftigt uns in verschiedenen Bildungsprojekten seit fast 30 Jahren. In dieser Zeit fand formale Bildung zumeist in geschlossenen Räumen, Gruppen oder Institutionen statt – und so ist es überwiegend noch heute. Expert:innen konzipieren, gestalten und verhandeln Bildungsangebote in Workshops, Konferenzen und Sitzungen – hinter geschlossenen Türen. Hinaus geht man (vielleicht) in den Pausen. Dabei bleiben viele Ideen, Fragen, Menschen, Sichtweisen, Perspektiven, Themen und Herausforderungen draußen – vor der Tür.
Wir wollen dagegen mit dem Projekt globalgoals.hamburg die Diskussionen über nachhaltige Entwicklung und die 17 Globalen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals / SDGs) hinaus in den öffentlichen Raum und unter die Menschen tragen, raus aus den engen Fachkreisen und verschlossenen Veranstaltungsräumen. Damit ihre Themen und die daraus folgenden notwendigen Veränderungen von möglichst vielen Menschen konkret verhandelt werden können.
Indem wir den weiteren Kontext der SDGs in Hamburg sichtbar(er) machen, wollen wir Fragen entstehen lassen und gemeinsam mit vielen Anderen nach Antworten suchen, aber diese nicht vorgeben: Was berührt Menschen mit unterschiedlichsten Wissens-, Erfahrungs- , Arbeits- und Lebenskontexten, wenn es darum geht, gleichberechtigt zu klären, in welcher Welt wir und unsere Kinder leben wollen und welche Entscheidungen und Handlungsschritte dahin führen? Die SDGs formulieren dazu umfassende Zielvorgaben: Armut und Hunger beenden, Maßnahmen zum Klimaschutz, Diskriminierung beenden, Menschen- und Kinderrechte verwirklichen, menschenwürdige Arbeit schaffen u.v.m. Doch ohne ein breites Engagement, eine aktive Mitgestaltung und umfassende Teilhabe der Zivilgesellschaft und ohne ein tiefgehendes Gefühl des Betroffen- und Gemeint-Seins, das viele Menschen erfassen muss, ist die Verwirklichung solch großer Ziele nicht möglich. Dabei brauchen wir Mut, Zuversicht, Humor und Leidenschaft, um uns für mögliche und unmögliche Zukunftsszenarien zu öffnen.

Uns ist durchaus bewusst, dass die 17 Ziele zahlreiche Unvereinbarkeiten und Widersprüchlichkeiten in sich bergen, vor allem durch eine (besonders im SDG 8 formulierte) Wachstumsideologie, die im eklatanten Widerspruch zur Endlichkeit der Ressourcen und zu Visionen von grundlegender Globaler Gerechtigkeit steht. Die strukturellen Ursachen von Armut und sozialer Ungleichheit, die durch das globale Wirtschafts-, Finanz- und Handelssystem begünstigt werden, werden in den SDGs nicht ausreichend benannt (siehe dazu auch die Standpunkte vom Dachverband der Entwicklungspolitischen Nichtregierungsorganisationen/VENRO). Die Tragweite dieser Widersprüchlichkeiten ist in den vergangenen Jahren durch die Folgen und den Umgang mit der Corona-Pandemie, durch Ressourcenkämpfe und daraus resultierende Kriege immer schärfer hervorgetreten. Deshalb gilt es, hinter den Zielvergaben der SDGs politische und ökonomische Interessen zu erkennen und zu benennen.
Der Wechsel zu einer sozial gerechten und ökologisch verantwortlichen, nachhaltigen Entwicklung, den wir trotz allem als utopisches Fernziel im Auge behalten, erscheint uns im Kern als eine kulturelle Aufgabe. Unter kulturell verstehen wir dabei die Gesamtheit der menschlichen Ausdruckspotentiale, eine alle Sinne umfassende Interaktion mit der lebendigen und materiellen Mitwelt, das auf den Prüfstand stellen von politischen (Macht)Strukturen und herrschenden Wertesystemen. Kunst und kreative Gestaltung können, so hoffen wir, Katalysatoren sein für unbefangene, auch unbequeme Sichtweisen auf neue Entwicklungsperspektiven, welche die Diskussion um die Globalen Nachhaltigkeitsziele dringend braucht.

Gespräche mit und Texte von Straßenkünstler:innen, Musiker:innen, Künstler:innen, Regisseur:innen, Kurator:innen und Galerist:innen haben uns bei dem Schritt hinaus in den öffentlichen Raum begleitet und uns neue Einsichten und Inspirationen geschenkt (wie z.B. das Berliner Kunstprojekt “Okkupation“). Im Austausch mit anderen Kunst-, Nachhaltigkeits- und Bildungsinitiativen sowie der Öffentlichkeit ist so ein kreativ-kritisches Interesse an einem Diskurs über die SDGs (nicht nur in Hamburg) sowie an deren künstlerischer Umsetzung gewachsen. Das motiviert uns immer wieder!