Wandbild: Armut beenden

Das erste Wandbild des Projektes widmete sich dem SDG 1 “Armut beenden – End Poverty”. Es wurde vom Hamburger Wandbildgestalter Eckert Keller entworfen und kam im Juni 2017, kurz vor dem G20-Gipfel, an die Wand  (siehe das Interview mit Eckart Keller).

Lange haben wir im Projektteam, in der Werkstattgruppe und im Gespräch mit unterschiedlichsten Menschen darüber nachgedacht, wie ein Bild zu diesem Thema aussehen kann. Es sollte nicht einfach Armut abbilden, sondern vor allem Geschichten erzählen zu  Ursachen und Zusammenhängen von Armut, Interpretationsspielräume zulassen und auch auf mögliche Lösungen verweisen.

Das Bild sollte zudem hohe Symbolkraft haben, sodass sich jede*r angesprochen fühlt, also keine konkrete Situation an einem bestimmten Ort abbilden – und dabei doch der globalen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Realität entsprechen. Es sollte den Betrachter*innen Impulse geben zum Nachdenken darüber, wie und wo Armut entsteht, wie sie effektiv und nachhaltig verringert werden kann und was dieses Bild mit ihr oder ihm selber zu tun hat. Obwohl in einer ländlichen Szenerie angelegt, sollte das Motiv auch für den urbanen Kontext Bedeutung haben und in diesen übertragbar sein.

Auch Ort und Zeitpunkt der Installation der Wandbildplane waren relevant: eine Wand im Karolinenviertel kurz vor dem Gipfeltreffen der G20-Staaten. Das Bild sollte die Machtverhältnisse einschließen, die sich hier knallhart offenbarten. Und ihnen zugleich in einer Form Rechnung tragen, die für das Viertel unerwartet, vielleicht auch irritierend oder überraschend anders war.

Das entstandene Bild ist ein Versuch, diese verschiedenen Ansprüche zur vereinen. Texte und Links in diesem Blog bieten zusätzliche Hintergrundinformationen.

Wir haben erste Entwürfe während der Entstehungsphase verschiedenen Menschen gezeigt und ihre Ansichten dazu – soweit möglich – integriert.Dabei war es nicht immer einfach, das Spannungsverhältnis zwischen künstlerischem Anspruch und der Partizipation unterschiedlichster Menschen auszuhalten und jedem gerecht zu werden. Mit dem fertigen Bild ist der von uns gewollte Beteiligungsprozess nicht beendet. Er wird fortgesetzt im Gespräch über das Bild, in Kommentaren und Veranstaltungen.

Wir haben u.a. die Agraringenieurin Ursula Gröhn-Wittern von der Hamburger Agrar Koordination gebeten, uns ihre Interpretation des Bildes zu beschreiben und mit fachlichen Hintergrundinformationen zu ergänzen. Hier ist ihr Text:

„Dominiert wird das Bild von der eintönigen Fläche des umgebrochenen nackten Bodens und der großen bedrohlichen Maschine. Scheinbar ungerührt – vielleicht haben sie keine Zeit, sich um Anderes zu kümmern? –  ackern ein Mann und drei Frauen auf einem üppig bewachsenen Stück Land. Es gibt einen Teich für Enten und Fische, Bäume, viele Früchte. Das Bild erinnert mich an ein Bild aus einem Lehrbuch für Perma-Kultur.
Fast zu schön, um wahr zu sein.
Die Frauen arbeiten mit gekrümmtem Rücken und sind sehr vertieft in ihre Tätigkeiten. Einfach scheint das nicht zu sein und braucht sicher eine Menge Wissen und Erfahrung.

Dann gibt es da noch die zwei Typen im Vordergrund: abgewandt von der beschriebenen Szene, ihre Gesichter verdeckt: man kann nicht erkennen woher sie sind. Sie scheinen nichts mit den anderen zu tun zu haben. Den Fahrer in der Planierraupe kann man auch nicht erkennen. Das ist vielleicht gut so, denn er ist vermutlich ein Einheimischer, der einen der wenigen versprochenen Jobs bekommen hat. Man weiß nicht wer diese Menschen sind. Oder besser gesagt: die Menschen vor Ort wissen es oft nicht.

Wo ist diese Szene? Sie könnte überall sein.
Man spürt die Bedrohung deutlich. Sind diese Bäuer*innen die Letzten, die noch Widerstand geleistet haben, und die anderen, die neben ihnen lebten, sind schon weg? Wo sind sie hin? Jetzt sollen diese auch noch verschwinden, wenn nicht freiwillig, dann mit Gewalt.

Warum wurde dieses Motiv für das SDG 1: ‚Armut beenden‘ gewählt? Da sind doch gar keine Armen zu sehen….!“  (Der ganze Text kann hier  heruntergeladen werden.)
Ursula Gröhn-Wittern

Weiterführende Webseiten zum Thema:
www.grain.org
www.landmatrix.org
www.Fian.org
www.weltagrarbericht.de
www.agrarkoordination.de