Nachhaltigkeit ist mein Fundament…

Ein Interview mit der Künstlerin Bettina Wistuba ֍

Bettina, wo bist Du im Bereich Kunst, Kreativität und Nachhaltigkeit aktiv?

Kunst ist mein Mittel zum Zweck. Ich sehe so ziemlich in allem künstlerisches (musisches) Potential und denke aus der Kunst heraus meine Projekte. In meinen Projekten versuche ich über künstlerische Prozesse, das Spielerische in uns und die uns innewohnende Kreativität „wach zu kitzeln“ und dadurch neue emotionale Erfahrungsräume zu öffnen. Die Kunst ist etwas, was uns allen ursprünglich innewohnt.

Nachhaltigkeit ist mein Fundament und mein Ausgangspunkt, von dem ich starte. Alles, was ich tue, denke ich von hieraus. Ich verwende gerne das, was bereits da ist, ob Verpackungsmaterial, gefundene Dinge, Gesammeltes aus der Natur, Farben, die in Kellern verstauben oder im Müll landen und versuche, wenig bis gar nichts neu zu kaufen.

Ebenso wichtig ist es mir, nachhaltige Erfahrungs- und Lernräume zu öffnen, die das Potential für Aha-Momente haben. Das sind Räume, in denen Menschen Zusammenhänge begreifen und verinnerlichen können und wo es darum geht, auf eigene Art Lösungen zu finden und nicht auf Stereotype zurückzugreifen. Denn nur, wenn wir uns aus der Abhängigkeit und dem Selbstverständnis alter Denk- und Handlungsschemata befreien und beginnen unkonventionell zu denken, werden wir im Miteinander echte neue Lösungsansätze kreieren und Antworten auf die Herausforderungen, die uns jetzt bereits überrollen, finden.

Was hat dich motiviert am Projekt „Globale Ziele – lokal gestaltet“ mitzumachen?

Als ich eure Anfrage las, war da sofort ein JA!!! Das kam aus dem Bauch heraus und ich kann gar nicht sagen, was genau mich so sehr inspiriert hat. Muss ich auch nicht, weil der Kopf immer viel träger ist als der Bauch. Ich habe mich einfach zuhause gefühlt, war begeistert von eurem Projekt und wollte vor allem teilgeben.

Du hast die künstlerische Leitung für die Gestaltung des Wandbildes zum Thema „Gesundheit und Wohlergehen“ übernommen? Was ist dir bei diesem SDG besonders wichtig?

„Gesundheit und Wohlergehen“ geht für mich weit über die Teilziele hinaus, die im SDG 3 genannt werden. Natürlich sind der Zugang zu medizinischer Hilfe und einheitliche Gesundheitsstandards u.s.w. wichtig. Aber ein gesundes Leben für alle beinhaltet so viel mehr als die Humanmedizin aus heutiger Sicht zu leisten vermag. Denn nicht für alle Probleme gibt’s das richtige Medikament oder medizinische Versorgung. Wohlergehen beinhaltet unser gesamtes Dasein.

Welche Vorgehensweise hast Du gewählt um die Perspektiven von (Berufs-) Schüler:innen auf das Thema „Gesundheit für alle“ einzufangen, mit welcher Methode und warum?

Es war die Co-Creation, aus der der rote Faden für unsere Workshops entstanden ist, auch wenn ich sicherlich den einen oder anderen Impuls mit eingebracht habe. Aber so ist das eben im gemeinsamen Wirken. Es ist die Erfahrung der Alten und ganz wichtig ihre Offenheit für den Spirit des Neuen …

Da wir die Menschen nicht kannten, mit denen wir arbeiten würden, habe ich für den ersten Workshop den Vorschlag für ein „malerisches Brainstorming“ gemacht, um sich kennenzulernen und mit dem Thema vertraut zu machen. Dabei waren wir überwältigt vom immensen Durst nach allem Künstlerisch-Musischen bei den Teilnehmenden. Ich habe die Methode „body maps“ etwas abgewandelt und sie für Kleingruppen ausgearbeitet. Das hatte den Nebeneffekt der unmittelbaren Kommunikation aus dem Tun heraus. Es war wunderbar zu beobachten, wie Gemeinschaft aus einem Bild heraus erwächst.

Welche Ergebnisse oder Prozesse haben dich dabei überrascht/bewegt?

Überrascht war ich tatsächlich, dass Auszubildende in medizinischen Berufen, keine Möglichkeit haben, sich künstlerisch-musisch auszudrücken. Dass es in dieser Ausbildung weder das Fach Kunst noch das Fach Musik gibt, die im Eigentlichen doch zutiefst menschliche Ausdrucksformen sind, macht mich sprachlos. Raus aus dem Kopf, rein ins Mitgefühl, das ist für eine medizinische Fachkraft wichtig, denn sie ist für Menschen da.

Besonders gerührt haben mich die Bilder der Kids. Sie sind einfach so lebendig und lebensbejahend, so wild und frei. Ich war begeistert, wie sie zusammen gemalt haben, und zwar mit vollem Körpereinsatz, mit den Fingern und den Händen und nicht mit dem Pinsel – was für eine ausufernde Energie diesem Workshop innegewohnt hat! Ich hoffe sehr, dass ihnen das erhalten bleibt.

Wie ist aus den Beiträgen der Teilnehmenden dieses Wandbild entstanden? Was war dir wichtig dabei?

Zu Beginn habe ich mir alle Bilder noch einmal angesehen und sie ganz in Ruhe auf mich wirken lassen, bin noch einmal die Workshops durchwandert. Begonnen habe ich dann mit den „Gestalten“ aus den Workshops mit den Teilnehmer*innen aus der Beruflichen Schule.  Als die „Gestalten“ der Kids dazukamen, wurde das Bild auf einmal schwungvoll und strotzte nur so vor vitaler Energie. Daraufhin habe ich begonnen, auszuwählen, welche Aussagen für das Thema „Gesundheit und Wohlergehen“ wichtig sind: Lebendige Vielfalt in all ihren Facetten und unbedingtes wohlgesonnenes Miteinander.

Alle Elemente auf dem Wandbild entstammen den entstandenen „body maps“. Ich habe nichts eigenes dazugetan, sondern lediglich zusammengefügt. Das war mir wichtig. Es ist ja nicht mein Bild, sondern eine Collage all dessen, was die Teilnehmenden bewegt und was sie zum Ausdruck bringen wollten.

Hat Kunst und kreatives Gestalten aus deiner Sicht einen Einfluss auf die nachhaltige Transformation unserer Gesellschaft?

Absolut und definitiv JA!!! Künstlerische Ausdrucksformen und das künstlerische Spiel kommen in unserer verkopften, digitalisierten Gesellschaft seit Langem zu kurz. Es geht darum, durch künstlerisch-musische Mittel dem nachzugehen und das auszudrücken, was in uns ist – ohne Bewertung. Denn hierbei geht es darum, im inneren Prozess zu sein – im Flow, um einen Trendbegriff zu nutzen – und die Erfahrungen, Gedanken, Gefühle auszudrücken. Und was da entsteht, ist nicht für andere verständlich und muss auch nicht analysiert werden, sondern es kann einfach als Momentaufnahme stehenbleiben. Freies Spiel ist für eine nachhaltige Transformation im guten Sinne elementar, weil es uns unvoreingenommen in Verbindung gehen lässt. Denn wie Albert Einstein bereits feststellte: „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“ oder „Fantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt.“ – ein kluger Mann!!!

Was würdest Du gerne noch aus deiner Perspektive mit Blick auf SDG 3 und/oder dieses neue Wandbild beitragen?

Denke frei und glaube nicht, was dich umgibt! Es ist eine Illusion. Und spätestens in Hundert Jahren werden die Menschen mit dem Kopf darüber schütteln, was wir hier gerade machen (oder eben nicht).

Lasst uns malen statt zu tippen, lasst uns singen statt zu reden, lasst uns tanzen statt zu rennen, lasst uns pflanzen statt zu roden – und all das mit leichtem Gemüt, dann ist ein gesundes Leben für alle greifbar.

Der vollständige Text des Gesprächs mit Bettina Wistuba kann hier heruntergeladen werden.

Ein Kommentar zu “Nachhaltigkeit ist mein Fundament…”

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